Uniformen fürs Zivile. Zur Geschichte uniformer Kleidung als symbolischer Kommunikation

Uniformen fürs Zivile. Zur Geschichte uniformer Kleidung als symbolischer Kommunikation

Organisatoren
Deutsches Textilmuseum Krefeld, Historisches Seminar der Universität Münster, Krefeld
Ort
Krefeld-Linn
Land
Deutschland
Vom - Bis
23.05.2002 - 25.05.2002
Url der Konferenzwebsite
Von
Insa Großkraumbach, Historisches Seminar, Westfälische Wilhelms-Universität

Vom 23. bis 25. Mai 2002 fand in Krefeld-Linn anlässlich einer Ausstellung des Deutschen Textilmuseums Krefeld über deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert eine Konferenz statt zum Thema „Uniformen für’s Zivile. Zur Geschichte uniformer Kleidung als symbolischer Kommunikation“, die von Dr. Elisabeth Hackspiel-Mikosch und PD Dr. Stefan Haas, Historisches Seminar der Universität Münster, organisiert wurde.
Die Vortragenden kamen nicht nur aus verschiedenen Ländern, sondern auch aus unterschiedlichsten Disziplinen und Institutionen, so dass das Spektrum der abgehandelten Themen breit gefächert war und sowohl für ‚Spezialisten’ als auch für uniforminteressierte Gäste spannende Einblicke in eine von der Wissenschaft bisher wenig beachtete Sparte der Kleidergeschichte bot. Das große Interesse an der Thematik war auch in der Zahl von über 100 Konferenzteilnehmern ablesbar.
Die auf der Konferenz dargebotenen Untersuchungen umfassten verschiedenste Aspekte der Kulturgeschichte der zivilen Uniformen: Sie reichten von der bekannten eher deskriptiven Uniformgeschichte über neuere Tendenzen der Kleidungsforschung, die die psychologische, soziale und kulturelle Dimension des Uniformträgers aber auch der Rezipientenseite beachten, und außerdem Perspektiven der Körpergeschichte sowie der Geschlechtergeschichte und Ansätze aus dem ethnologischen Bereich einschließen. Dem Untertitel der Tagung angemessen lagen die Schwerpunkte auf der Analyse der symbolischen und kommunikativen Aspekte der Uniform. Ein weiteres Augenmerk war auf die geschlechtskonstituierende Wirkung von Kleidung gerichtet sowie auf die spezifischen ‚Räume’, in denen die Uniformen getragen wurden, darüber hinaus auf politische Implikationen sowie auf transkulturelle Perspektiven. Neben den höfischen und Beamtenuniformen wurden auch die Uniformen in außerstaatlichen Kontexten thematisiert. Die Vorträge deckten nicht nur theoretisch und methodisch, sondern auch zeitlich wie räumlich ein breites Feld ab: das Spektrum reichte von den dänischen Ritterroben des 17. bis 19. Jahrhunderts über die Beamtenuniform des deutschen Kaiserreichs 1871-1918, bis hin zu den Nachrichten- und Geheimdiensten des 2. Weltkrieges und des Kalten Krieges, von den deutschen, den französischen über die österreichischen bis hin zu asiatischen und afrikanischen Kleidungscodes.
Die Krefelder Konferenz diente somit als ein Forum, bei dem Wissenschaftler verschiedener Disziplinen und nationaler Herkunft über das komplexe kulturhistorische Phänomen ziviler Uniformen unter teilweise ganz neuen Perspektiven diskutierten und neue Forschungsansätze sowie -ergebnisse austauschten.

In ihrem Eröffnungsvortrag steckten die Textilwissenschaftlerin Dr. Elisabeth Hackspiel-Mikosch und der Münsteraner Kulturhistoriker Privatdozent Dr. Stefan Haas die Grundlagen der Themenbereiche ab. „Männliche Würde von königlicher Gnade – Deutsche Ziviluniformen im 19. Jahrhundert“ bot einen Einblick in den kulturhistorischen Facettenreichtum der Analyse der Uniform. Der Vortrag befasste sich mit den Vorläufern, der Entstehungsgeschichte und der Durchsetzung der Ziviluniformen seit 1800, die in einen Kontext des Zeitalters der Moderne gestellt wurde. Der mit der ‚Modernisierung’ verbundene kulturelle und soziale Wandel sowie die vielschichtigen und widersprüchlichen Entwicklungen spiegelten sich nach Ansicht der Referenten in den zugrundeliegenden Beweggründen der Einführung, ihrer Entwicklung, ihrer Durchsetzung und den Diskursen über die Ziviluniform wider. Zentrales Anliegen der Vortragenden war es, die reichhaltige Symbolik der Ziviluniform als neue Bekleidungsform einzuordnen. Marcus Schneider, Schauspieler des Krefelder Stadttheaters, präsentierte zum Vortrag historische Zitate, in denen Männer sich stolz, würdevoll oder verletzlich als Uniformierte darstellten.

Anschließend folgte die Performance der Kölner Kunsttheoretikerin Prof. Dr. Heidi Helmhold und ihrer Mitarbeiter Birgit de Boer und Christian Brenk: „Fassadenkleider. Von der Architektur des uniformen Körpers. Ein- und Ausrüstungen in EchtZeit“. In einer Mischung aus Referat, theatralischer Darbietung und musikalischer Unter- (und Über-)malung thematisierten sie Vergangenheit und Zukunft uniformer geschlechtsspezifischer Bekleidung und ihrer Wirkungen auf den Körper des Trägers sowie die Augen der Betrachter. Das ‚Machen’ von Uniformen wie Uniformierten sollte dargestellt werden. Die Performance machte deutlich, dass diesen beiden Komponenten ein architekturanaloger Schnitt- und Bauplan zugrunde liegt. Die Zuhörer sollten Grundrisse, Aufrisse und Abrisse kennen lernen: Die Fabrikation von Macht und Einfluss wurde ‚in Echtzeit’ demonstriert. Der ‚ideale Mann’ mit angemessener uniformer Bekleidung stand am Schluss der Performance als ironisches Fragezeichen da.

Der Londoner Kultur- und Kleidungshistoriker Dr. Christopher Breward nahm sich des Themas „Sartorial and Administrative Revolutions: The Fashioning of the Office Man 1870-1914” an. Es ging ihm darum, die durch den Schnitt seiner Kleidung geprägte Identität des Londoner Büroangestellten herauszustellen. An seinem Anzug wurde er erkannt. Sein Aussehen war durch korporative Regeln, Klassenzugehörigkeit oder individuelle Äußerungen geprägt. Zudem wurde er definiert durch die Rhetorik des Fin-de-Siècle: Effizienz, Uniformität, imperialistische Bestrebungen. Breward betonte, dass es sich beim Büroangestellten nicht um ein gesichtsloses Stereotyp gehandelt habe. Vielmehr entwickelte sich ein überraschend ausdrucksstarker, progressiver ‚business-style’ durch das Medium der Bekleidung, das ähnlich der gängigen Herrenmode hochnuanciert und ‚gentlemanly’ war und zugleich assoziiert mit den sich wandelnden Haltungen gegenüber männlicher Konsumtion.

Dr. Joseph Matzerath, sächsischer Landeshistoriker, hielt einen Vortrag über „Die landständische Uniform in Sachsen“. Zunächst wies der Referent darauf hin, dass die herkömmlichen Eliten am Ende der Frühen Neuzeit den Verlust symbolischer Kennzeichnung durch wertvolle Kleidung hinnehmen mussten, die ihnen bis dahin durch die Kleiderordnungen zumindest grundsätzlich vorbehalten gewesen war. Diesen Verlust, durch das Aufkommen einer egalisierten Herrenmode verdeutlicht, vermochten Adelsuniformen teilweise zu kompensieren. Die Rittergutsbesitzer der kursächsischen Ständeversammlung beantragten im Jahre 1787 eine Uniform für den gesamten Adel des Landes. Der Landesherr gestattete aber erst im Jahre 1805 eine Uniform, die lediglich von den landtagsfähigen adeligen Rittergutsbesitzern getragen werden durfte. Bis zum Jahre 1861 dehnte sich der Kreis der Berechtigten in mehreren Schritten auf alle (adelige und bürgerliche) Rittergutsbesitzer aus.

Der Bielefelder Historiker Dr. Thomas Lüttenberg setzte sich in seinem Vortrag „Beamte im Waffenrock. Genese und Charakter deutscher Ziviluniformen im Kaiserreich (1871-1918)“ mit dem durch die Gründung des Deutschen Reiches 1871 entstandenen Problem der Identitätsfindung auseinander. Die 1888 von Wilhelm II. in Form einer Reminiszenz an brandenburgisch-preußische Traditionen geschaffenen Ziviluniformen der Reichsbeamten boten eine gute Gelegenheit zur Darstellung der neuen nationalen Einheit und Würde. Neue Archivrecherchen des Referenten haben ergeben, dass für diese Traditionserfindung ursprünglich nicht der sonst sehr nostalgisch agierende Wilhelm II., sondern vielmehr sein Großvater Wilhelm I. und Bismarck verantwortlich waren. In seinem Vortrag behandelte Lüttenberg zwei Gelegenheiten, bei denen der schon den Uniformen der Reichsbeamten innewohnende Zug zu militärischen Formen noch verschärft wurde. Zuerst bekamen die zivilen Gouverneure der deutschen Kolonien 1910 neue, stark militärisch beeinflusste Uniformen. Danach könne man die fast völlige Verschmelzung des Auftretens gewisser Zivilbeamter mit dem der Angehörigen des deutschen Heeres beobachten: Seit 1910 wurde eine feldgraue Ziviluniform entwickelt, die im Ersten Weltkrieg von den Beamten der deutschen Zivilverwaltungen in den besetzten Gebieten getragen wurde und sie ununterscheidbar von den Soldaten machte.

In ihrem Beitrag „Zeichen von Patriotismus. Zur symbolischen Bedeutung der Nationaltracht in der Zeit vor und während der Antinapoleonischen Kriege“ untersuchte die Berliner Historikerin und Privatdozentin Dr. Karen Hagemann, deren Forschungsschwerpunkt auf Frauen- und Geschlechterforschung liegt, zeitgenössische Quellen, die eine spezifisch deutsche Kleidung als Zeichen des neuen deutsch-nationalen Patriotismus verlangten. Hier wurden auch die unterschiedlichen Vorstellungen von männlichen und weiblichen Patrioten deutlich. Während die echten „teutschen“ Männer sich durch „Wehrhaftigkeit“ auszeichnen sollten, verlangte man von den weiblichen Patriotinnen vor allem „Häuslichkeit“ und „Sittlichkeit“, was sich auch in der Form der Kleidung ausdrücken sollte. Schließlich untersuchte Hagemann die schriftlichen und bildlichen Quellen hinsichtlich der Rezeption dieser Kleiderideen und kam zu dem Schluss, dass die Ideen einer Nationaluniform sich ebenso wenig allgemein durchsetzten konnten wie die historisierende Nationaltracht, die vor allem von jungen Mitgliedern der national-liberalen gesinnten Burschenschaften und patriotischen Frauenvereinen getragen wurden.

Die Tübinger Kulturwissenschaftlerin Alexandra Hillringhaus behandelte in ihrem Vortrag das Thema „Propaganda und Provokation – politische Uniformen in Deutschland zwischen den Weltkriegen“. Sie machte darauf aufmerksam, dass, auch wenn mit dem Ende des Ersten Weltkriegs die Zeit des preußischen Militarismus zuende gegangen war und gerade erst Millionen von Soldaten ihre Felduniform gegen zivile Kleider eingetauscht hatten, sich dennoch schon bald eine Militarisierung des innenpolitischen Lebens bemerkbar machte. Uniformiert aufmarschierende paramilitärische Wehrverbände traten mit dem Anspruch an, die Interessen der Frontsoldaten auch im Frieden zu repräsentieren. Zugleich bekannten sie sich ideologisch zu verschiedenen politischen Parteien, denen sie als Schutztruppe und Propagandainstrument dienten. Der Kampf um die ideologische Ausdeutung des Kriegserlebnisses, wie er unter diesen Verbänden auf dem Schlachtfeld der Straße geführt wurde, war in hohem Masse auf Symbole, Rituale und Frontmarkierungen angewiesen und prägte die gesamte politische Kommunikation der Weimarer Republik. Die Referentin ging aus der Perspektive volkskundlicher Kleidungs- und Symbolforschung der Frage nach, welcher zeichenhafter Formen und ikonographischer Bezüge sich konkret die vier wichtigsten Wehrverbände der Zeit bedienten, inwiefern sich ihre Uniformen als ‚geronnene’ Kriegserfahrungen lesen ließen und wie sie ihrerseits formierend auf die Erfahrung der Wirklichkeit in der Nachkriegsgesellschaft einwirkten.

Die in Kopenhagen als Textilrestauratorin am Schloss Rosenborg tätige US-amerikanische Kleidungshistorikerin Katia Johansen setzte sich in ihrem Vortrag mit „Dänischen Ritterroben – 1671-1840“ auseinander. Sie analysierte vor allem die Roben der bedeutendsten Ritterschaften, des Ordens der Elefanten (gegründet Mitte des 15. Jh.) und des Ordens der Dannebrog (gegründet 1671), von denen einige Exemplare noch in den Königlichen Dänischen Sammlungen auf Schloß Rosenborg vorhanden sind. Zusätzliche Quellen, wie Porträts, Rechnungen sowie die Statuten der Orden, lieferten ein ungewöhnlich umfassendes Bild bezüglich der mit den Roben verknüpften Intentionen und Effekte. Katia Johansen verdeutlichte, wie sehr sich das Aussehen der Uniformen an einer quasi-historischen spanischen Mode orientierte, wodurch ein Teil der Aura von Geschichte, Macht und Größe den dänischen Rittern und ihrem Herrscher zugute kommen sollte. Der Kleidungscode der dänischen Ritterschaft konnte sich durchaus mit dem anderer europäischer Nationen messen. Allerdings führten die Wandlungen der ‚Weltordnung’ sowie der männlichen Mode dazu, dass altmodische Roben nicht länger dazu dienen konnten, dem Ehrenhaften eine Ehre zu erweisen. Noch 1848 sei über eine Modernisierung nachgedacht worden, obwohl die Roben offenbar seit der letzen dänischen Krönung 1840 nicht mehr öffentlich getragen worden waren.

Dr. Monica Kurzel-Runtscheiner, Kuratorin am Kunsthistorischen Museum und Betreuerin des Hofmonturdepots in Wien, unterlegte ihren Vortrag über „Die Geschichte der zivilen Uniform am Wiener Hof im 19. und frühen 20. Jahrhundert“ mit zahlreichen Dias ihrer in Europa einmaligen Sammlung von höfischen Ziviluniformen aus dem 19. Jahrhundert. Mit dem Untergang der alten ständischen Ordnung und unter dem Einfluss der Napoleonischen bzw. der Befreiungskriege entstand eine neue Wertschätzung für die Soldatenuniform, was mit dafür verantwortlich war, dass zwischen 1802 und 1814 die Habsburger Erblande fast allen zivilen Beamten und höfischen Würdenträgern Uniformen verordneten. Wie in anderen europäischen Ländern wurden diese bis 1918 nur unwesentlich verändert. Die Referentin ging insbesondere auf die subtile Sprache der Uniformen ein, die sich in Zeichen wie Form, Farbe und Dekorationen ausdrückte und den Rang und die Funktion des Trägers deutlich machte.

Prof. Dr. Marieluise Kliegel, Textilwissenschaftlerin der Pädagogischen Hochschule Weingarten, untersuchte in ihrem Vortrag „Die Livreeverwaltung an deutschen Adelshöfen des 19. Jahrhunderts“. Sie wies zunächst darauf hin, dass Livreen und ihre Zubehörteile im 19. Jahrhundert in den Livreekammern oder Livreeschränken der Adelshöfe aufbewahrt wurden. Die Livreekammer ist der Bereich der Schlossverwaltung, der sich ausschließlich um die Belange der Dienerschaftskleidung kümmert. An den Kriterien von Sparsamkeit und Einhaltung des höfischen Reglements orientiert, entwickelte sich eine strenge Systematik der Kleiderverwaltung. Zur jährlichen Kleiderpflege wurden die einzelnen Livreen gelüftet, bei Bedarf gesäubert, ausgebessert, erneut sorgfältig verpackt und Motten sicher ausgerüstet. Bei einer solchen Revision überprüfte man generell die Bestände, rangierte alte unbrauchbare Livreen aus und verkaufte oder versteigerte diese nach dem Abtrennen von Knöpfen und Verzierungen. In den Livreekammern lagerte auch das Livreezubehör (Accessoires), von den Schuhen über Perücken bis hin zu neuen Knöpfen und Stoffen, entsprechend dem jährlichen Livreebedarf. Die höfische Silberkammer verwaltete die kostbaren Livreen, zu deren dekorativem Zubehör auch Zierdegen gehören konnten. Die Livreen wurden nach Maß angefertigt oder bei einem Uniformhersteller gekauft. Zur Inventarisierung und besseren Kontrolle der Bestände, kennzeichnete man die Livreeteile mit Jahresstempel oder mit den Namen der Träger/ Diener im Etikett oder Innenfutter.

Dr. Olga Vainshtein, Wissenschaftlerin am Geisteswissenschaftlichen Institut der Russischen Staatsuniversität in Moskau, befasste sich in ihrem Referat mit der „Vergeschlechtlichung der Uniform in Russland 1796-1856“. Den historischen Rahmen des Vortrages bildeten zwei wichtige, die Gestaltung der Ziviluniform regelnde Dekrete. Das erste wurde von Zar Paul I. im Jahr 1796 erlassen, das zweite 1856 von Alexander II. Die Referentin verdeutlichte, dass die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts die entscheidende Phase zur Festigung des semiotischen Systems der Ziviluniformen in Russland war. Dieses System lasse sich in Begriffen des kulturellen Geschlechts (gender) analysieren, das sich in den vorgeschriebenen Kleidungscodes, spezifischen Regeln der Etikette und Abweichungen der Träger von diesen Normen manifestiert. Beide genannten Dekrete beinhalteten präzise Instruktionen über Schnitt und Uniformdetails, aber mit dem ersten Gesetz wurde noch ausschließlich die Herrenbekleidung geregelt. Es legte grüne Stofffarbe, rote Aufschläge und Kragen fest. Weniger bekannt aber von größerem Interesse ist die weibliche Hofbekleidung, die in dieser Periode auch streng geregelt wurde und wenig Raum für individuellen Geschmack zuließ. Das Edikt von 1834 führte das offizielle „Russische Kleid“ als vorgeschriebene Hofbekleidung für Damen ein, die am Zarenhof zugelassen waren. Eine Folge von kolorierten Zeichnungen wurde herausgegeben, um möglichen Missverständnisse vorzubeugen. Die vorgeschriebene Bekleidung war ein kurioser Mix aus traditioneller russischer Kleidung und aktueller französischer Damenmode. Dabei waren die goldenen Stickereien, die für das Damenhofkleid vorgeschrieben waren, jenen der männlichen Hofbekleidung sehr ähnlich. Olga Vainshtein betonte, dass dieses scheinbar kleine Detail auf die zentrale soziale Funktion der Hofbekleidung verwies. Der Vortrag interpretierte die Genderdifferenzen in der Hofbekleidung und der Ziviluniform vor einem breiten kulturellen Kontext.

In ihrem Vortrag „Uni-Formen des Begehrens. Zivile Uniformen als Fetische der modernen westlichen Genderkonstruktion“ stellte Dr. Elke Gaugele, Kulturwissenschaftlerin an der Universität Köln, die zivilen Uniformen und die damit verbundene Performanz von Männlichkeit in den Kontext der theoriegeschichtlichen Entwicklung des Fetischismus im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert. Die Referentin machte deutlich, dass sich durch den Begriff des Fetischs die Ebene der symbolischen Kommunikation durch Kleidung zur sozioästhetischen Verknüpfung von Sexualität, Gender und Macht verdichtet. Gleichzeitig erscheint dadurch die Repräsentation von Gender mittels ziviler Uniformen als doppeldeutiger Prozess, in dem Begehren auf unterschiedlichen Ebenen sowohl stofflich präsentiert, wie zugleich abgespalten und verschoben wird. Konsequenzen dieser Uni-Formierung des Begehrens im Übergang zur bürgerlichen Gesellschaft wurden an historischen Beispielen ‚zivil’ praktizierten hetero- und homosexuellen Uniformfetischismus aufgezeigt: der Dienstmädchenuniform, der Matrosenuniform und den ‚Soldatenfreiern’.

Oliver Hemmerle, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Fachbereichs Erziehungswissenschaften der Universität Mannheim, machte in seinem Vortrag „’... für das Tragen der Orden bleibt oft nicht mehr die Zeit’: Zur Repräsentation von Nachrichten- und Geheimdiensten im 2. Weltkrieg und im Kalten Krieg“ deutlich, dass die Uniformierung von Nachrichten- und Geheimdiensten meistens in einem Grenzbereich verschiedener Institutionen angesiedelt ist. Die dem Militär angegliederten Organisationen, bzw. „spezial forces“, greifen dabei häufig auf die jeweiligen Uniform- und Ordensformen der ‚regulären’ Streitkräfte zurück, während eigenständig bzw. ‚zivil’ verfasste Organisationen sich - bei Bedarf - ein eigenes Repertoire schaffen müssen. Für einige Bereiche (Agenten etc.) verbietet sich die öffentliche Selbstdarstellung eigentlich durch die jeweilige Aufgabenstellung, die ‚Täuschen und Tarnen’ zur Grundlage hat. Der Referent setzte sich mit zahlreichen Fallbeispielen nachrichtendienstlich arbeitender Spezialeinheiten der westlichen Alliierten im 2. Weltkrieg sowie mit dem MfS und KGB auseinander und berücksichtigte besonders deren Spionagetätigkeit. Dabei ging es ihm um allgemeine wie spezielle Formen der Selbstdarstellung und die ‚Räume’ dieser Darstellung. Er untersuchte die Ursachen und Funktionen derartiger Selbstdarstellung von Organisationen, die von ihrem Auftrag her eigentlich an öffentlicher Repräsentation nur sehr begrenzt interessiert sein sollten. Schließlich verglich er die Selbstdarstellungsformen militärisch und nicht-militärisch organisierter Nachrichten- und Geheimdienste.

Professor Dr. Heide Nixdorff, geschäftsführende Leiterin des Instituts für Textilgestaltung an der Universität Dortmund, stellte in ihrem Vortrag „Der Hierarchiegedanke im Spiegel der Beamtenkleidung im kaiserlichen China“ die Grundgedanken einer Ausstellung über chinesische Rangquadrate vor, die sie zusammen mit ihren Studenten für das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund vorbereitet hatte. Die Ausstellung basiert auf einer privaten Sammlung, die ein deutsches Ehepaar, das Anfang des 20. Jahrhunderts in China lebte, zusammen getragen hatte. Die Rangquadrate zierten die Vorderseite und Rückseite von Mänteln, die traditionell von chinesischen Beamten und ihren Frauen bei besonderen Anlässen getragen wurden. Nixdorff erläuterte die textile Herstellungsweise sowie die Entwicklung des Stils und erklärte an Beispielen die komplexe Ikonographie dieser Quadrate. Zusammen mit anderen Elementen der Kleidung dienten die Rangquadrate in erster Linie als Zeichen der Position und Bedeutung eines Beamtens. Aber, anders als die Rangabzeichen an europäischen Uniformen, symbolisieren die chinesischen zusätzlich Glückwünsche für das persönliche und berufliche Leben des Trägers.

Die Münsteraner Kunsthistorikerin Dr. Dorit Köhler behandelte in ihrem Vortrag „Alltagskleidung als Uniform: Die Sonntagsbekleidung in den evangelischen Kirchen in Togo 1890-2000“, unterlegt mit zahlreichen Dias, die Uniformierung an der Schnittstelle verschiedener Kulturen. Sie wies darauf hin, dass die Begegnung von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise den ambivalenten Charakter der Kleidung in einem komplexen Deutungssystems aufscheinen lässt. So begegnen sich durch die Missionierung – die sie am Beispiel der Norddeutschen Mission im Gebiet des späteren Togo und Ghana behandelte – die Alltagskleidung des protestantischen, deutschen Mittelstandes und die Schmuckformen des Körpers der westafrikanischen Ewe. Die Übernahme der Kleidungsgewohnheiten der Missionare durch die Westafrikaner, zu denen auch der Gebrauch von Amtskleidung in Form des Talars und der Schwestertracht gehört, wird zu einem Sinnbild für eine im Sinne der Missionare erfolgreich abgeschlossene Umerziehung zum christlichen Glauben. Modifiziert und um Elemente afrikanischer Symbolkraft bereichert, entsteht daraus in Togo eine neue Kleiderform, die als typisch afrikanisch verstanden und im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts zu einem Zeichen des afrikanischen Selbstbewusstseins wird.

Der niederländische ehemalige Diplomat Vincent Kramers konnte in seinem Vortrag über „Amtskleidung der einheimischen Beamten im Niederländischen Kolonialreich“ auch auf persönliche Erfahrungen zurückgreifen und das Thema somit anschaulich mitteilen. Zu Beginn der niederländischen Anwesenheit im indonesischen Inselreich blieb die lokale Verwaltung den traditionellen eingeborenen Oberhäuptern anvertraut. Im 19. Jahrhundert folgte die koloniale Regierung denselben Regeln wie bisher, ernannte aber selbst die einheimischen lokalen Amtsträger. Nachdem 1827 die europäischen Kolonialbeamten mit Ziviluniformen ausgestattet worden waren, begannen die örtlichen Verwalter ihre Kleider mit ähnlichen Stickereien zu dekorieren. Offiziell war dies verboten. Erst 1870 legte die Regierung eine offizielle Bekleidung nach lokalem Modell für einheimische Führer auf der Insel Java fest. Nach und nach folgten vergleichbare Vorschriften für die anderen indonesischen Inseln. 1932 kam es zu einer einheitlichen Regelung und es wurde uniforme Kleidung nach europäischem Vorbild für alle Inseln und Territorien vorgeschrieben. Der Referent machte darauf aufmerksam, dass ihm keine andere Kolonialmacht bekannt ist, die solche detaillierten Kleidungsvorschriften für einheimische Oberhäupter erlassen hat. Der Vortrag erläuterte ferner diese Regelung am Beispiel der im inneren Urwald der Kolonie Surinam lebenden ‚Bosneger’, der Nachfahren geflohener Sklaven.

In ihrem Vortrag über „Den Entwurf des pietistischen Körpers. Die Herrnhuter Brüdergemeinde und die Mode im 18. Jahrhundert“ untersuchte die in Chemnitz arbeitende Sozial- und Wirtschaftshistorikerin Dr. Gisela Mettele die uniforme Kleidung der Herrnhuter Brüdergemeinde als ein Mittel, das religiöse Gemeinschaft sichtbar macht. Die 1736 eingeführte Kleiderordnung sollte Statusprobleme entschärfen, die sich durch das „geschwisterliche“ Zusammenleben von Angehörigen ganz unterschiedlicher sozialer Schichten ergaben, und Irritationen beseitigen, die durch deren verschiedene, die Körperteile jeweils unterschiedlich ver- und enthüllende Kleidungscodes entstanden waren. Mit der Kleidung sollte die Distanz des Herrnhuter Lebensstils zum sogenannten „Weltsinn“ ausgedrückt und selbstverständlich auch alle Erotik aus dem Blick des Gemeindelebens gebannt werden. Vor allem aber war die Kleidung in Farben und Formen mit religiösen Symbolen aufgeladen. Sie visualisierte die Herrnhuter Religiosität, die um eine möglichst intensive gefühlsmäßige Vergegenwärtigung der Leiden Christi kreiste. Die Referentin verdeutlichte, dass z.B. die Hauben der weiblichen Mitglieder in den Quellen als Zeichen der angestrebten Imitatio Christi gedeutet (als Jesu Schweißtuch im Grabe) wurden, sie aber auch entsprechend 1 Korinther 11,5 mit der aktiven spirituellen Rolle der Herrnhuterinnen in Zusammenhang gebracht wurden. Sie dienten als Zeichen ihrer Ermächtigung, dass sie vor der Gemeinde predigen durften.

Der Würzburger Kulturwissenschaftler Jochen Ramming ging in seinem Vortrag „’... in dem Costüme eines protestantischen Geistlichen.’ Zu Verbreitung und Symbolgehalt des Rabbinerornates in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ von der Tatsache aus, dass insbesondere in den 30er Jahren des 19. Jahrhunderts verschiedene deutsche Teilstaaten den Rabbinern ihrer jüdischen Gemeinden ein Amtsornat zuwiesen. Er verfolgte dann die Frage, wie es überhaupt dazu kam, dass Rabbiner von Staats wegen mit einer einheitlichen Amtstracht versehen werden konnten und woraus die evidente formale Anlehnung des Ornats an die Kleidung protestantischer Pfarrer resultierte. Dabei machte der Referent deutlich, dass die betreffenden Verordnungen keineswegs ‚Erfindungen’ deutscher Regierungen waren. Sie erwuchsen vielmehr aus einer innerjüdischen Reformbewegung, die nach Wegen suchte, die bislang ausgegrenzte jüdische Bevölkerung an die sich etablierenden Gesellschaftsstrukturen heranzuführen und in die neuen Nationalstaaten zu integrieren. Das Rabbinerornat war Teil dieses Reformprogramms. Der Rabbiner in Talar und Bäffchen wurde zum Symbol eines reformierten Judentums. Sein Vorbild war dabei der protestantische Seelsorger, der als geistliches Oberhaupt seine Gemeinde in Gesellschaft und Verwaltung vertrat, wobei auch dieser gerade erst verstärkt in die modernen Verwaltungsstaaten eingegliedert worden war.

In dem abschließenden Beitrag ging die an der Universität Dublin arbeitende Medienwissenschaftlerin und Sozialpsychologin Dr. Efrat Tseëlon auf ihre Studie zur „Politik der Schuluniform“ ein. Diese bildet eine selbstreflexive Untersuchung der Grundannahmen, Werte, Bedeutungen und rhetorischen Strategien (Erklärungen, Rechtfertigungen, Argumente), die sich in der Schuluniform Ausdruck verschaffen. Die Referentin untersuchte, wie sich immer noch eine konservative Ideologie an den Schulen durchsetzt und dabei die alltägliche Praxis normiert. Trotz größerer Aufmerksamkeit gegenüber dem Thema Gleichheit in der Erziehung demonstriert die wissenschaftliche Literatur in Europa und Amerika umfassend, dass die Schule weiterhin Ungleichheit reproduziert. Dies geschieht weniger durch das formale Curriculum, sondern durch den versteckten Lehrplan und durch implizite, nicht-intendierte und unartikulierte Annahmen und ‚Botschaften’, die die Interessen und Vorurteile der dominanten Herrschaftsgruppen in der Gesellschaft stärken. Diese kann man typischerweise finden in ‚akzeptablen’ Mechanismen der zwischenmenschlichen Interaktion, in der Praxis des Klassenzimmers, in der Repräsentation sozialer Gruppierungen, der symbolischen Bedeutsamkeit von Zeit und Design und diskursiven Praktiken. Efrat Tseëlon verdeutlichte, dass die Schuluniform ein Beispiel und Ausdruck solch informeller Regulierung und Kontrolle ist.

Ein illustrierter Sammelband mit Aufsätzen der Referenten erscheint 2003.


Redaktion
Veröffentlicht am
Klassifikation
Region(en)
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Sprache(n) der Konferenz
Deutsch
Sprache des Berichts